AiF 18644 N: Einfluss der Wechselwirkung zwischen den funktionellen Gruppen von Pektinen und ausgewählten Produktinhaltsstoffen auf die Stabilisierung von Öltropfen in Lebensmittelemulsionen

​​Ausgangssituation:
Emulsionen sind thermodynamisch instabile Systeme. Sie benötigen grundsätzlich Hilfsmittel, wie grenzflächenaktive Emulgatoren oder verdickend wirkende Stabilisatoren, zur Stabilisierung ihrer Struktur. Seitens der Verbraucher besteht dabei der zunehmende Wunsch nach natürlichen Lebensmittelinhaltsstoffen, also auch nach natürlichen Sta-bilisierungshilfsmitteln, wie Hydrokolloiden aus pflanzlichen Quellen. Das in der Ge-tränkeindustrie häufig verwendete Gummi arabicum (GA) stellt Hersteller von Limonaden etc. oft vor Probleme, da es Qualitäts-schwankungen unterliegt, hygienisch oft problematisch ist und häufig aus politisch wenig stabilen Regionen der Welt importiert werden muss, was eine stabile Versorgung erschwert. Pektine, ebenfalls pflanzliche Hydrokolloide, werden bereits in Feinkostemulsionen als Stabilisatoren und in Getränkeemulsionen teilweise auch als emulsions-stabilisierende Inhaltsstoffe eingesetzt. Ihre emulsionsstabilisierenden
Eigenschaften sind bekannt, obwohl nur unzureichend verstanden ist, worauf die Wirkung beruht. So wird beispielsweise die Grenzflächenspannung nur geringfügig gesenkt. Bei der Auswahl und beim Einsatz von Pektinen zur Emulsions-stabilisierung wird daher häufig erfahrungs-basiert vorgegangen. Insbesondere ist bisher trotz intensiver internationaler Forschungsanstrengungen weitgehend ungeklärt, wie die molekulare Struktur von Pektinen, d.h. die Art und Menge funktionaler Gruppen, mit produktspezifischen Inhaltsstoffen interagiert und die Fähigkeit der Pektine zur Emulsions-bildung und -stabilisierung beeinflusst. Über Rezepturparameter (pH-Wert, Trockenmasse-gehalt, Ionenstärke) können in Kombination mit der Art und Häufigkeit funktionaler Gruppen (Methyl-, Acetyl-, Amid-, Proteingruppen) z.B. die elektrostatische Abstoßung oder die hydrophobe Wechselwirkung im Pektinmole-kül beeinflusst werden. Dieses wiederum kann sowohl die räumliche
Ausdehnung des Moleküls als auch wechselwirkende Kräfte zwischen den Molekülen ändern. Dadurch können das Adsorptionsverhalten der Moleküle an der Öl-Wasser-Grenzfläche in Emulsionen und die abstoßenden Kräfte zwischen gebildeten Öltropfen beeinflusst werden. Dies beeinflusst die Mikrostruktur und Stabilität der Emulsionen und somit auch konsumentenrelevante Eigenschaften, wie Farbe, Textur, Konsistenz, Aufrahmverhalten und Trübung. Obwohl einzelne der o.g. Aspekte bereits betrachtet wurden, fehlen aber bis-lang systematische Untersuchungen, um Zusammenhänge zwischen den Rezeptur-parametern, den resultierenden Strukturen und den Eigenschaften der Produkte aufzu-klären.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es deshalb, anhand von ausgewählten Pektintypen und modellhaft ausgewählten Lebensmittelemulsionen zu untersuchen, wie sich die Wechselwirkungen zwischen funktionellen Gruppen der Pektine und ausgewählten Produktinhaltsstoffen auf die Stabilisierung von Öltropfen in Emulsionen auswirken.


Forschungsergebnisse:
Um die emulgierende und emulsionsstabilisierende Wirkung von Pektin aufzuklären, wurden das Verhalten verschiedener Pektintypen in der Lösung, an der Öl-Wasser-Grenzfläche sowie in Modell-Emulsionen untersucht. Es kamen Citruspektine mit unterschiedlichem Veresterungsgrad und Molekulargewicht, sowie Zuckerrübenpektine mit unterschiedlichem Acetylierungsgrad zum Einsatz.
Bei der Charakterisierung der Pektine in Lösung konnte festgestellt werden, dass der hydrodynamische Radius der Moleküle umso kleiner war, je geringer das Zetapotential des Pektinmoleküls war. Eine niedriges Zetapotential konnte durch eine geringe Molekülladung, also durch einen niedrigen Veresterungsgrad bzw. eine geringe Anzahl an Carboxylgruppen erreicht werden, sowie durch einen niedrigen
pH-Wert. Durch eine Abschirmung der Ladung bei hohe Ionenstärken konnten ebenfalls geringe hydrodynamische Radii erreicht werden. Die Adsorptionskinetik der Pektine an die Öl-Wasser-Grenzfläche war umso schneller, je kleiner der hydrodynamische Radius war. In Emulgierversuchen konnte gezeigt werden, dass eine schnellere Adsorptionskinetik vorteilhaft für die Stabilisierung der aufgebrochenen Öltropfen ist. Mit Citruspektinen konnten die kleinsten Tropfen daher bei hohem Veresterungsgrad (84 %) sowie niedrigstem pH-Wert (pH 2) stabilisiert werden. Eine Reduktion des hydrodynamischen Radius durch eine Depolymerisierung des Moleküls von 80 kDa auf ca. 40 kDa war hier jedoch nicht förderlich, da so auch das sterische Stabilisierungsvermögen der bereits adsorbierten Pektinmoleküle reduziert wurde. Durch Salzzugabe, d.h. bei hoher Ionenstärke, konnte der hydrodynamische Radius der Pektine zwar ebenfalls reduziert werden, jedoch war bei diesen Bedingungen auch eine Erhöhung der Pektinkonzentration zur Emulsionsstabilisierung notwendig. Grund hierfür war eine Aggregation der Pektinmoleküle in Lösungen hoher Ionenstärke, die zur Bildung von Mikrogelpartikeln führt. Diese Mikrogelpartikel sind ebenfalls in der Lage, Emulsionen effektiv zu stabilisieren, doch sind hierfür höhere Konzentrationen nötig.
Bei Zuckerrübenpektinen konnte eine von Citruspektin deutlich unterschiedliche emulsionsstabilisierende Wirkung festgestellt werden. Kleinere Tropfen konnten mit Zuckerrübenpektin bei einer Erhöhung des Acetylierungsgrads von 23 auf 47 % sowie einer Erhöhung des pH-Werts von 2 auf 4 erzielt werden. Nur mit Zuckerrübenpektinen konnten Emulsionen mit Tropfen im Bereich < 1 μm, wie sie für die Anwendung im Getränkebereich notwendig sind, bei Dispersphasenanteilen > 10 % stabilisiert werden. Daher wurden mit Zuckerrübenpektin stabilisierte Emulsionen in Modell-Getränke ausgemischt und die Stabilität dieser Getränke über einen Zeitraum von drei Monaten untersucht. Hierbei zeigte sich eine homogene Trübung über das gesamte Modell-Getränk. Es kam zu keinerlei typischen Destabilisierungsphänomenen, wie Ringbildung oder die Bildung einer aufschwimmenden Ölphase. Ein Vergleich mit Emulsionen bzw. Getränken, die unter gleichen Bedingungen jedoch mit Gummi Arabicum hergestellt wurden, zeigte eine vergleichbare Stabilität. Im Gegensatz zu Gummi arabicum, welches in konzentrierten Emulsionen üblicherweise mit einer Konzentration von 20 % eingesetzt wird, wurden jeweils nur 1 % Zuckerrübenpektin zur Emulsionsstabilisierung benötigt. Somit wird bei der Verwendung von Zuckerrübenpektin nur ein Zwanzigstel der üblichen Stabilisatormenge benötigt. Zuckerrübenpektine stellen daher einen vielversprechenden Ersatz für Gummi Arabicum im Getränkebereich dar.


Wirtschaftliche Bedeutung:
Kenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Rohstoffauswahl, produktspezifischen Parametern, Prozessführung und Produkt-eigenschaften sind für jede Prozess- und Produktinnovation essentiell. Gerade für Rohstof-fe aus natürlichen Quellen, wie für Pektine, fehlen diese bislang. Pektine zeichnen sich durch wertvolle technofunktionelle Eigenschaften sowie ein positives Image aus, was ihren Einsatz in Clean-Label-Produkten ermöglicht. Im Gegensatz zu chemisch hergestellten Emulgatoren liefert die Anwendung von pektinbasierten Emulgierhilfsstoffen zusätz-lich einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, da Pektine aus nachwachsenden Quellen gewon-nen werden.
Besonders interessant ist der Einsatz von Pektinen zur Stabilisierung von Aromaölen, z.B. in Getränken. Auf Basis der Ergebnisse könnten Hydrokolloide, wie Gummi arabicum, in emulsionsbasierten Produkten künftig durch Pektine ersetzt werden und deutsche KMU damit unabhängiger gegenüber Roh-stoffengpässen und Schwankungen im Weltmarktpreis gemacht werden.
Eine Anwendungsmöglichkeit besteht z.B. in der Fertigung von Aromaölemulsionen. Die Aromenindustrie in Deutschland umfasst derzeit 60 Betriebe, von denen mehr als die Hälfte kleine und mittelständische Unternehmen sind mit rund 5.000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von ca. 340 Mio €. Aromen wiederum werden in unterschiedlichsten Lebensmittelprodukten eingesetzt, so z.B. in Erfrischungsgetränken. Der Umsatz dieser Branche (rund 300 Unternehmen mit mehr als 50.000 Mitarbeitern) im Bereich Limonaden/Brausen betrug 2013 in Deutschland rund 3,5 Mrd. €.
Durch die Kenntnis der Wechselwirkungen von Pektinen mit unterschiedlichen produkt-spezifischen Parametern wird je nach Produktanforderung bereits im Vorhinein abschätzbar, welche Pektintypen in welchen Anwendungen eingesetzt werden können. Damit erübrigt sich die bisher übliche, sehr aufwändige „trial and error“-Vorgehensweise.
Durch Kenntnis der Struktur-Eigenschafts-beziehungen können Pektine zudem leichter untereinander ausgetauscht werden.

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Publikationen:
U.S. Schmidt, L. Schütz, H.P. Schuchmann, Interfacial and emulsifying properties of citrus pectin: Interaction of pH, ionic strength and degree of esterification (2017), Food Hydrocolloids, 62, pp. 288-298, doi: 10.1016/j.foodhyd.2016.08.016
U.S.Schmidt, H.P. Schuchmann, Adsorption kinetics and interfacial rheology as a means to tune the microstructure of citrus pectin emulsions. Food Colloids Conference, Wageningen, NL, 11. – 13. April 2016.
U.S. Schmidt, H.P. Schuchmann, Microgel particles and demulsification – Influence of ionic strength on the emulsifying properties of citrus pectin. International Food Hydrocolloids Conference, Guelph, Kanada, 14. – 17. Juni 2016.
U.S. van der Schaaf, S. Boschert, H.P. Schuchmann, Formulation of soft drinks – How ingredient interactions influence the morphology and stability of beverage emulsions, EFFOST International Conference, Wien, Österreich, 28. – 30. Dezember 2016.
U. S. Schmidt, L. Schütz, H. P. Schuchmann, Impact of pH and ionic strength on the emulsification properties of citrus pectin. Gums and Stabilizers for the Food Industry, Wrexham, UK, 23. – 26. Juni 2015.
U. S. Schmidt, V. Schmid, H.P. Schuchmann, Strategies for the production of submicron droplets using hydrocolloid emulsifiers. Gums and Stabilisers for the Food Industry, Berlin, 25. – 27. Juni 2017.
U. S. Schmidt, H. P. Schuchmann, Formulation of stimuli-responsive emulsions using citrus pectin as a natural hydrocolloid emulsifier. Formula VIII, Barcelona, Spanien, 4. – 6. Juli 2016.
U. S. Schmidt, H. P. Schuchmann, Gezielte Änderung des Diffusions- und Adsorptionsverhaltens von Citruspektinen und deren Auswirkung auf die Emulsionsmikrostruktur. ProcessNet Fachausschuss LVT, Nürnberg, 10. – 11. März 2016.